Blattschneiderameisen

Blattschneiderameisen werden auch die Gärtner des Dschungels genannt. Denn sie betreiben tatsächlich Landwirtschaft. Erfahre in diesem Beitrag, was sie überhaupt anbauen.

Aussehen und Vorkommen

Die Familie der Blattschneiderameisen umfasst mehr als 40 verschiedene Arten. Die Art Atta laevigata fällt auf den ersten Blick durch drei Paare verschieden langer Zähne auf, die auf den vorderen Körpersegmenten sitzen. Auffallend und charakteristisch ist auch der stark glänzende, wie poliert wirkende Kopf. Die Tiere sind alle einheitlich rötlich bis kastanienbraun gefärbt. (1)

Typische Farbe der Atta laevigata. Auch die drei Paare verschieden langer Zähne auf der Oberseite sind gut erkennbar (links © Carlos Otávio Gussoni, Brasilien, rechts © Chien Lee, Venezuela).

Blattschneiderameisen leben im Norden von Südamerika, östlich der Anden. Ihr grosses Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Kolumbien über Venezuela, Guyana, Brasilien und Bolivien bis nach Paraguay. Sie sind in den tropischen Regenwäldern des Tieflands bis etwa 1000 Meter über Meer heimisch. Nachweise liegen aber auch aus Savannenlandschaften vor. (1)

Je nach Funktion in der Kolonie unterscheiden sich die Tiere einer Art relativ stark, vor allem in ihrer Körpergrösse. Bei der Art Atta laevigata sind die Kleinsten nur knapp 4 mm gross, die grossen Soldatinnen bis zu 16 mm und die Königin bis zu 22 mm (1). 

Die Königin ist das grösste Tier in der Kolonie. Die Arbeiterinnen, welche sich vor allem im Innern des Nests bewegen, sind viel kleiner als diejenigen Individuen, die die schweren Blattstücke transportieren müssen (Quelle: aus dem Buch “Herbivory of leaf-cutting ants”).

Die Reise eines Blattes

Wie der Name bereits verrät, ernten die Blattschneiderameisen Blätter. Dazu schneiden sie stets halbrunde Fragmente aus. Dieses Schnittmuster ist immer gleich, weil die Ameise sich mit den Hinterbeinen am Blattrand einhackt und sich dann um ihre eigene Achse dreht. Das Blattstück ist also nie grösser als die Körpergrösse der Ameise. 

Dabei beissen sie die Blätter nicht ab, sondern ziehen ihre Kiefer wie ein Messer durch das Blatt. Um diese Arbeit zu bewältigen, brauchen die Ameisen eine enorme Muskulatur. Diese macht ungefähr 25 % ihres Körpergewichts aus. Blattschneiderameisen können so bis zu 470 kg Blätter pro Jahr ernten. Kein Wunder, dass sie in grossen Teilen von Mittel- und Südamerika zu den bedeutendsten Pflanzenschädlingen auf landwirtschaftlichen Flächen zählen. 

Die grössten Arbeiterinnen sind zuständig für die Ernte der Blätter. Sie sind stark genug, um Stücke aus den Blättern zu schneiden und diese dann ins Nest zu transportieren. Dabei nutzen sie Futtertransportstrassen, die von Strassenarbeiterinnen von Vegetation befreit und in Stand gehalten werden. Diese Strassen sind auch für uns Menschen gut erkennbar. Sie können bis zu 150 m lang sein und führen alle zum Nesteingang.

Ausgeschnittene Blattfragmente haben immer die gleiche Form. Das hängt damit zusammen, dass die Ameisen um ihre eigene Achse schneiden (Quelle: Hölldobler, B., & O. Wilson, E., 2011).

Nachdem die frischen Pflanzenstücke ins Nest transportiert wurden, werden die groben Blattstücke an kleinere Arbeiterinnen übergeben, die sie in kleine Fragmente zerlegen. Kurz darauf übernehmen noch kleinere Ameisen. Sie verarbeiten die Fragmente zu einem Brei, formen Kügelchen daraus und düngen die Kügelchen dann mit ihren Exkrementen. Anschliessend wird dieses Substrat mit Myzelbündeln eines ganz speziellen Pilzes geimpft. Dieser Pilz wächst rasant - bis zu 13 μm pro Stunde - und bildet bereits nach kurzer Zeit Fruchtkörper. Diese werden von den Ameisen abgetrennt und verfüttert oder selber gefressen.

Die kleinsten Arbeiterinnen sorgen von nun an für den wachsenden Pilz, indem sie ihn von Schimmelsporen befreien und belecken. Die kleinste Subkaste ist aber nicht nur für die Pilzzucht zuständig. Man trifft sie auch bei den Ernteplätzen an. Sie reisen auf den Blattstücken sozusagen per Anhalter mit und verteidigen die Blattträgerinnen vor der parasitischen Buckelfliege. Diese versucht, ihre Eier auf den Ameisen abzulegen. Man vermutet zudem, dass die Anhalter die Blattstücke schon während des Transports von schädlichen Mikroorganismen befreien und so Krankheiten in den Pilzgärten verhindern. 

Die Fruchtkörper der Pilze sind reich an Fetten, Kohlenhydraten und Proteinen. Diese Symbiose zwischen Ameise und Pilz ermöglicht es den Ameisen, den Kohlenstoff aus den Pflanzen zu nutzen. Der Pilz leitet sozusagen den Kohlenstoff aus den Blättern an die Ameisen weiter, indem er Xylan und Stärke produziert.

Der Pilz ist jedoch nicht die einzige Nahrungsquelle der Blattschneiderameisen. Auch weiche Früchte sind eine willkommene Futterquelle. Die Arbeiterinnen ernähren sich zudem hauptsächlich von Pflanzensäften, der Pilz ist für die Larven bestimmt, die ausschliesslich davon leben. Die Königin frisst vor allem trophische Eier, die die Arbeiterinnen legen. (2)

Die Pilzgärten

Man schätzt, dass Ameisen erstmals kurz nach der Abtrennung der südamerikanischen Landmasse von Afrika begannen, Pilze zu züchten und Landwirtschaft zu betreiben. Die Atta-Arten bauen vermutlich alle die gleiche Pilzart an. Es handelt sich um den Egerlingsschrimling (Leucoagaricus gongylophorus), der freilebend gar nicht lebensfähig wäre (4). Man nimmt an, dass die Atta-Arten durch das Weitergeben von den Eltern zu den Nachkommen mehrere Millionen Jahre alte Klone der Pilzgärten züchten. 

Der Pilz kann durch falsche Nahrungszufuhr geschädigt werden. Wenn die Arbeiterinnen einen kranken Pilz bemerken, stoppen sie die Ernte des zuvor verfütterten Substarts. Die Ameisen sind also fähig, kognitiv zu lernen und die Signale des Pilzes zu deuten. In mehreren Experimenten konnte gezeigt werden, dass die Ameisen schon nach wenigen Stunden erkannten, welche Pflanzenart schädlich war und diese von da an vermieden. 

Links: Erntekolonnen von Blattschneiderameisen transportieren das geerntete Planzenmaterial in dichten Reihen entlang den Transportstrassen (© Hubert Herz). Rechts: Arbeiterinnen pflegen den Pilzgarten, indem sie den Pilz von Schimmelsporen säubern (© Bert Hölldobler).

Auch verschiedene Schädlinge wie zum Beispiel andere Pilze können den für die Ameisen lebenswichtigen Nahrungspilz bedrohen. Um ihre Pilzgärten vor diesen Schädlingen zu schützen, setzen die Blattschneiderameisen antimikrobielle Stoffe ein (3). Diese Stoffe produzieren die Ameisen in speziellen Drüsen selber. Zusätzlich zu den Drüsensekreten machen sich die Ameisen die antibiotische Wirkung von Bakterien zu nutze. Die Ameisen tragen diese Bakterien (Actinomyceten) auf ihren Bauchplatten. Das von ihnen produzierte Candicidin hemmt schon in sehr geringer Konzentration das Wachstum der schädlichen Pilze. Um Resistenzen zu verhindern, setzen die Amesien gleich mehrere Mikroorganismen ein (3). Dem Nahrungspilz selbst schaden diese Mikroorganismen nicht, er ist immun dagegen. 

Wenn eine Kolonie ihren Pilzgarten beispielsweise wegen einer Krankheit verliert, gibt es mehrere Möglichkeiten, ihrem sicheren Untergang zu entgehen. Sie können sich entweder einer Nachbarskolonie anschliessen, einen fremden Garten übernehmen oder einen Teil eines fremden Pilzgartens entwenden (2).

Arbeitsteilung in der Kolonie

Alle Arten der Battschneiderameisen leben in riesigen Kolonien. Damit ein solches Zusammenleben funktioniert, muss jedes einzelne Tier seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten (1). 

Die Königin ist das einzige Individuum der gesamten Kolonie, das sich fortpflanzt. Sie ist zuständig für die Produktion von 150 bis 200 Millionen unfruchtbaren Arbeiterinnen. Zudem produzieren ausgewachsene Kolonien jedes Jahr fortpflanzungsfähige, beflügelte Männchen und Weibchen. Sie werden Alate genannt und fliegen beim Hochzeitsflug aus, um sich mit Individuen anderer Kolonien zu paaren. Um diese Paarung zu vereinfachen, fliegen die Alate aus allen Kolonien einer Art zum gleichen Zeitpunkt aus. Die Befruchtung eines Weibchens erfolgt in der Luft durch mehrere Männchen gleichzeitig. Dadurch entsteht eine genetische Vielfalt, die nützlich sein kann, um die Krankheitsresistenz und die Vitalität einer Kolonie zu steigern. Die Spermien dieser Paarung werden in einer Spermientasche der Königin gespeichert und reichen für ihre gesamte Lebensdauer von 10-15 Jahren aus. Die Männchen sterben nach dem Hochzeitsflug. (2)  

Um eine neue Kolonie gründen zu können, nimmt jede Jungkönigin ein Myzelbündel aus dem Pilzgarten mit. Sie verliert kurz nach der Paarung ihre Flügel und beginnt dann mit dem Bau eines neuen Nests. Das mitgebrachte Myzelbündel benutzt sie, um einen neuen Pilzgarten zu züchten. In der ersten Phase der Koloniegründung ernährt sich die Königin von ihren eigenen Eiern und pflegt den ersten Nachwuchs selbst. Wenn die Arbeiterinnen ausgewachsen sind, übernehmen sie die Pilzzucht, die Pflege der Nachkommen und die Nahrungsbeschaffung. Die Königin wird zur Eierlegemaschine und wird ständig von Arbeiterinnen mit sogenannten Nähreiern gefüttert. (2)

Atta laevigata ist territorial. Ihr Territorium markieren sie mit einem Duftstoff und verteidigen es gegen Ameisen derselben und anderer Arten (5). Zwischen benachbarten Nestern kann es zu regelrechten Schlachten mit Tausenden Ameisen kommen. Auch gegen Neststörungen durch Wirbeltiere verteidigen sich die Tiere. Dabei werden gegen andere Ameisen bevorzugt kleine, gegen Wirbeltiere bevorzugt grosse Arbeiterinnen zur Verteidigung rekrutiert (6).

Übrigens: In Kolumbien werden die Königinnen als Speiseinsekten gegessen und zählen als Delikatesse. Dazu werden sie gebraten. Die Ameisen wirken dabei aphrodisierend. 

Aufbau und Grösse eines Nestes

Ein ausgewachsener Staat kann bis zu mehrere Millionen Arbeiterinnen umfassen. Sie bauen gigantische, sehr komplexe Nestanlagen mit bis zu 7800 verbundenen Kammern, viele davon Pilzgärten. Ihre Nester können eine Fläche von bis zu 70 Quadratmeter gross werden. Die Kammern liegen dabei bis zu 8 m unter der Oberfläche. Die lockere Erde, welche die Ameisen beim Nestbau an die Oberfläche transportieren, wiegt ungefähr 4 Tonnen. 

Auf dem Bild sieht man eine solche Neststruktur, die mit flüssigem Zement ausgegossen wurde (© Wolfgang Thaler).

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Autorin: Martina Stoffel

Literaturverzeichnis

(1) Wikipedia. (01.06.2020). Abgerufen am 17.03.2021 von https://de.wikipedia.org/wiki/Atta_laevigata

(2) Hölldobler, B., & O. Wilson, E. (2011): Blattschneiderameisen - der perfekte Superorganismus. (B. Jarosch, Übers.) Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.

(3) Spiteller, D. (2010): Wie schützen pilzzüchtende Ameisen ihren Pilzgarten vor Infektionen? Biospektrum, S. 161-163.

(4) A. C. O. Silva-Pinhati, M. Bacci Jr., G. Hinkle, M. L. Sogin, F. C. Pagnocca, V. G. Martins, O. C. Bueno, M. J. A. Hebling (2004): Low variation in ribosomal DNA and internal transcribed spacers of the symbiotic fungi of leaf-cutting ants (Attini: Formicidae). In: Brazilian Journal of Medical and Biological Research. vol. 37, no. 10.

(5) A. Salzemann, P. Nagnan, F. Tellier, K. Jaffe: Leaf-cutting ant Atta laevigata (Formicidae: Attini) marks its territory with colony-specific dufour gland secretion. In: Journal of Chemical Ecology. Volume 18, Issue 2, 1992, S. 183–196.

(6) Mary E. A. Whitehouse, Klaus Jaffe: Ant wars: combat strategies, territory and nest defence in the leaf-cutting ant Atta laevigata. In: Animal Behavior. 51, 1996, S. 1207–1217.