Wälder auf Tauchstation

Ob in den Auengebieten des Amazonas oder in den Mangrovenwäldern: Bäume, die im Wasser stehen, haben sich ganz speziell an ihre nasse Umgebung angepasst. Über weitere spannende Phänomene rund um Wälder unter Wasser liest Du in diesem Beitrag.

Der Amazonas und sein Auengebiet

Der Amazonas ist der wasserreichste Strom der Erde. In einer Sekunde pumpt er mehr als 200 Millionen Liter Süsswasser ins Meer. Der grösste Schweizer Fluss, der Rhein, führt der Nordsee gerade einmal drei Millionen Liter in einer Sekunde zu. Nach dem Nil ist der Amazonas auch der zweitlängste Fluss der Welt. Von seinen Quellflüssen in den Anden bis zum Mündungsdelta am Atlantik legt er mehr als 6000 Kilometer zurück: das ist so weit wie von Zürich nach New York! 

Aber eigentlich ist der Amazonas gar kein einzelner Fluss, sondern ein ganzes Flusssystem. Seine Wasserstände können im Laufe eines Jahres um mehr als zehn Meter schwanken. Überschwemmungen sind deshalb ganz natürlich und normal. Die Auen des Amazonas-Hauptflusses können auf einer Breite von 100 Kilometern unter Wasser stehen. Dieses sogenannte Várzea-Gebiet wird von besonders nährstoffreichem Wasser überschwemmt, denn der Hauptstrom bringt aus dem Gebirge Sedimente mit. Weil die Schwebeteilchen ihn milchig trübe aussehen lassen, spricht man auch von Weisswasser. Die Nebenflüsse des Amazonas führen dagegen sogenanntes Schwarzwasser, in dem viel abgestorbenes Pflanzenmaterial verrottet. Dort, wo es den Regenwald überflutet, heisst das Gebiet Igapó. Am Rand der Amazonas-Niederungen beginnt dann die höher gelegene Terra firme: die feste Erde, die vom Hochwasser nie erreicht wird. 

"Encontrão das águas", das Treffen der Wasser. Wenige Kilometer südlich von Manaus treffen die dunklen Fluten des Rio Negro auf das milchige Wasser des Rio Solimões. Über viele Kilometer fliessen die unterschiedlichen Wassermassen im gleichen Flussbett nebeneinander (© Clovis Miranda).

Wie überleben Bäume im Wasser?

Die Bäume im Amazonas-Regenwald haben sich an die Überflutungen angepasst. Einige reagieren auf das Hochwasser wie Bäume bei uns auf den Herbst: Sie verlieren ihre Blätter und drosseln ihren Stoffwechsel. Erst wenn der Wasserstand sinkt, treiben sie wieder aus. Der Igapó -Wald steht bis zu zehn Monate im Jahr unter Wasser. An diesem extrem sauren Standort wachsen vor allem Palmen. Várzea dagegen wird saisonal überflutet, wobei viele Nährstoffe eingeschwemmt werden. Trotzdem schiessen die Bäume hier längst nicht so in die Höhe wie auf der Terra firme. Denn im Schlamm finden sie wenig Halt. Viele bilden deshalb Stelz- oder Luftwurzeln als Stützen aus. 

Riesenwelle

Manchmal ist die Atlantikflut an der Mündung des Amazonas stärker als die Flussströmung. Mit einem gewaltigen Donnergrollen rollt dann eine bis zu fünf Meter hohe und 65 km/h schnelle Welle den Fluss hinauf. Die Pororoca ist bei den Ureinwohnern gefürchtet, weil sie Hütten mit sich reissen kann. Es gibt aber waghalsige Surfer, die versuchen, die Monsterwelle zu reiten. Manche halten sich länger als eine halbe Stunde auf ihr.

Pororoca, das spektakuläre Naturphänomen tritt vor allem im Frühjahr auf, jeweils um die Zeit des Vollmondes, besonders im März und April. Man hört sie, bevor man sie zu Gesicht bekommt. Die Riesenwelle im Amazonas heisst nicht von ungefähr Pororoca. Denn die Bezeichnung Pororoca kommt von den Tupi-Indianern und bedeutet soviel wie „grosses, zerstörerisches Grollen“ (© Daniel Smorigo).

Mangroven: Überleben im salzigen Schlamm

Mangroven sind salztolerante Küstenbäume. Der Begriff Mangroven bezeichnet neben der Baumart auch das ganze Ökosystem, zu dem die Bäume zusammen mit immergrünen Palmen, Sträuchern, Farnen und zahlreichen Tierarten gehören. Mangroven gibt es im Atlantik und im Ostpazifik (Amerika, West- und Zentralafrika) ebenso wie im Indopazifik von Ostafrika bis Polynesien. Mangroven bedecken weltweit eine Fläche von nur rund 140’000 km², was etwa ein Prozent der tropischen Regenwälder ausmacht. 

Typische Standorte für Mangroven sind neben Flussmündungen auch Küstenlagunen und Flussdeltas. Dort werden sie zweimal täglich vom Meerwasser geflutet und müssen neben dem schwankenden Salzgehalt auch starke Strömung, Wind und einen schlammigen Untergrund tolerieren.

Mangroven bilden Stelzwurzeln wie Spinnenbeine, um im Schlamm genügend Halt zu finden. Kommt die Flut, werden die Wurzeln überschwemmt. Die Mangrovenbäume scheiden das Salz durch die Rinde oder Blätter wieder aus.

Viele Arten lassen aus alten Blüten längliche Schösslinge spriessen, die ins Wasser fallen und mit der nächsten Flut davongetragen werden. Sie treiben dann oft monatelang unbeschadet im Meer, bis sie schliesslich an einer geeigneten Stelle angeschwemmt werden. Daraus entstehen neue Bäume. 

Bei Ebbe ist das beeindruckende Wurzelgeflecht der Mangroven sichtbar (© OroVerde, L. Krings).

Nahrung in Hülle und Fülle

Jede Flut hinterlässt auf dem Schlammboden eine Menge Algen, Krebse, Schnecken und vieles mehr. Ein gefundenes Fressen für zahlreiche Tierarten. Watvögel, Krabben und auch einige Säugetiere machen sich darüber her. Die Krabben wiederum werden von Reihern und anderen Vögeln, manchmal sogar von Affen gefangen. Die kleinen, weissen Blüten der Mangrovenbäume locken Nektar suchende Insekten an. 

Mangroven sind die Kinderstube für viele Fisch- und Meerestierarten und sichern damit der Bevölkerung die Ernährungsgrundlage und ein Einkommen. Mangroven stabilisieren die Küsten, schützen sie vor Stürmen und Erosion und besitzen eine enorme CO₂-Speicherfähigkeit. Damit gehören Mangrovenwälder zu den Gebieten, deren Erhalt besonders wichtig ist, um die Klimakrise abzuschwächen.

 

Autorin: Simona Kobel

Literaturverzeichnis

Monika und Hans D. Dossenbach (2003): Faszination Regenwald. Werd Verlag, Zürich

Alexandra Werdes (2013): Was ist Was Band 90 Regenwald, Grüner Schatz der Erde

https://www.regenwald-schuetzen.org/regenwald-wissen/der-regenwald/tropenwaldtypen/mangroven