Nusantara

Nusantara, eine neue Glacé-Sorte? Nein, Nusantara ist der Name der neuen Hauptstadt von Indonesien, welche aktuell auf Borneo gebaut wird. In diesem Beitrag erklären wir dir, warum Indonesien überhaupt eine neue Hauptstadt braucht und was diese futuristische Waldstadt auszeichnen wird.

Warum braucht Indonesien eine neue Hauptstadt?

Die neue Hauptstadt Nusantara soll die stark bevölkerte, bisherige Hauptstadt Jakarta entlasten und die Bevölkerung gleichmässiger auf den Inseln verteilen (1). In Jakarta selbst leben ca. 10 Millionen Menschen und in der dazugehörigen Metropolregion Jabodetabek, dem zweitgrössten Ballungsraum weltweit, rund 34 Millionen Menschen (2). Nusantara sowie die nur 35 km entfernte, bereits existierende Stadt Balikpapan sollen sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsraum Indonesiens entwickeln.

Nusantara wird aber auch gebaut, weil Jakarta aufgrund der anhaltenden Bebauung und des Grundwasserentzugs seit Jahren absinkt. Als Stadt am Meer ist Jakarta auch gegenüber dem Klimawandel und dem damit einhergehenden Meeresspiegelanstieg sowie Sturmfluten extrem exponiert. Einige Stadtgebiete liegen schon heute unter dem Meeresspiegel und werden regelmässig überflutet (2).

Karte von Indonesien mit der alten Haupstadt Jakarta auf der Insel Java und der neuen Hauptstadt Nusantara auf Borneo (© Ellena Ekarahendy).

Auf dem Papier geplante Stadt wird Realität

Nusantara soll als CO₂-neutrale «green-smart-city» mit einer Gesamtfläche von 2’500 km² gebaut werden. Sie soll einen hohen Anteil an Grünflächen und Schutzzonen im Stadtgebiet aufweisen, die E-Mobilität fördern sowie eine Stadt der kurzen Wege sein (3). Heute ist die Region ein Mosaik aus Wäldern, Monokulturen, Dörfern und einzelnen industriellen Anlagen wie Minen. Es wurden bereits viele Konzepte und Richtlinien für das Biodiversitäts- und Wassermanagement sowie für den ökologischen Bau von Gebäuden und die Minimierung von CO₂-Emissionen erarbeitet. Dabei wurden nicht verbindliche Zielwerte festgelegt, z.B. dass 70% der Fläche als Grünflächen (Schutzzonen, Landwirtschaft, Wald) angelegt werden sollen. In den geplanten Schutzzonen sollen Monokulturen durch Wiederaufforstungen ersetzt werden und stillgelegte Minen rekultiviert werden (4).

In einer ersten Phase sollen 1.5 bis 7 Millionen Stadtbewohner:innen einziehen (1). Bereits erfolgt ist der Einzug des indonesischen Parlaments. Sogar eine erste Tagung der indonesischen Regierung wurde am 12. August 2024 abgehalten (3). Wie viele Menschen in Jakarta verbleiben, ist nicht genau definiert. Die letzte Phase des initialen Aufbaus von Nusantara soll 2045 abgeschlossen sein. Die Kosten von 34 Milliarden US-Dollar werden mit knapp 20% durch das Staatsbudget gedeckt, der Rest durch Kooperationen zwischen Staat und Unternehmen sowie durch private Investitionen (5). Als eindeutiges Prestigeprojekt des ehemaligen Präsidenten Joko Widodo initialisiert, geniesst es auch weiterhin die Unterstützung des aktuellen Präsidenten Prabowo Subianto (1).

Bau des neuen Parlamentsgebäudes in Nusantara (© ANTARA).

Obwohl die Stadt zumindest auf dem Papier so geplant ist, dass möglichst wenig Umweltbelastung verursacht wird, kamen 2024 aber auch erste Zweifel bezüglich dem zu realisierenden Umfang sowie anderer Projektinhalte auf. Dies hängt unter anderem mit ausbleibenden Privatinvestitionen und teils zurückgetretenen Projektleitern und Behördenchefs der Stadt zusammen. Die Behördenposten sind zwar neu besetzt, insbesondere ausländische Investoren verhalten sich aber noch zurückhaltend und haben bisher deutlich weniger investiert als erhofft (6). Die Bauarbeiten schreiten deshalb weniger rasch voran als geplant.

Die Bauarbeiten sind schon weit fortgeschritten, gerieten 2024 aber ins Stocken (© NZZ).

Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die lokale Bevölkerung

Die Rodungen auf dem zukünftigen Stadtgebiet haben bereits im Jahr 2022 begonnen. Dabei sind schätzungsweise 14’000 Hektaren Waldgebiet vernichtet worden (6). Damit hat bereits eine Beeinträchtigung der lokalen Flora und Fauna (darunter befinden sich die stark bedrohten Gibbons, Orang-Utangs, Nasenaffen und Malaienbären) stattgefunden. Ebenfalls werden zukünftig zwei Hauptstrassen (Flughafen Nusantara – Nusantara und Balikpapan – Nusantara) durch bestehende Mangroven- und Waldgebiete führen. Dies wird einzelne Habitat-Fragmentierungen zur Folge haben. Die Auswirkungen auf die Artenvielfalt können in diesem frühen Stadium des Projekts aber noch zu wenig abgeschätzt werden.

Auch der Umgang mit den Interessen der ansässigen Indigenen (Angehörige der Stämme der Balik, der Dayak, der Kutai und der Paser) sind noch nicht klar. Gemäss der Allianz der indigenen Völker von Nusantara (AMAN), einer Interessengemeinschaft für Indigenenrechte, und weiteren NGO-Akteuren wird die Partizipation der lokalen Bevölkerung und Entscheidungsträger:innen in die Planung und Umsetzung der Stadtentwicklung als verbesserungsfähig und eher mangelhaft eingestuft. Dabei geht es unter anderem um Fragen bezüglich Landrechte, Umsiedlung und Umgang mit Einsprachen. Bereits sind erste Verdachtsfälle von illegalem Landraub zu verzeichnen (7, 8, 9, 10, 11).

Futuristische Waldstadt

Die neue Hauptstadt Nusantara soll bezüglich Umwelt- und Klimaschutz international neue Massstäbe definieren. Die Vision des Projekts als futuristische Waldstadt berücksichtigt, zumindest auf dem Papier, stärker als bei anderen Stadt-Projekten den Natur- und Umweltschutz. Die weitere Entwicklung des Projekts und die tatsächliche Umsetzung der Umwelt- und Menschenrechtsrichtlinien werden zeigen, wie sich der Bau der neuen Hauptstadt auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung auswirken wird. Die Meinungen der indonesischen Bevölkerung sowie diverser NGO’s zu Nusantara sind noch sehr divers. Dies betrifft sowohl die nationalen als auch die lokalen Debatten über Nusantara. GREEN BOOTS wird das Thema weiterverfolgen.

 

Autor: Fabian Kessler

Literaturverzeichnis

(1) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Nusantara_(Stadt) aufgerufen am 25.04.2025 
(2) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Jakarta aufgerufen am 25.04.2025 
(3) https://www.thejakartapost.com/paper/2022/01/21/nusantara-as-a-smart-innovative-and-green-city.html aufgerufen am 25.04.2025 
(4) https://ikn.go.id/en aufgerufen am 25.04.2025 
(5) https://etudes-economiques.credit-agricole.com/en/previewPDF/181065 aufgerufen am 25.04.2025 
(6) https://www.thejakartapost.com/opinion/2024/06/06/live-up-to-your-name-nusantara.html aufgerufen am 25.04.2025 
(7) https://www.aljazeera.com/news/2023/3/15/like-we-dont-exist-indigenous-fear-indonesia-new-capital-plan aufgerufen am 25.04.2025 
(8) https://eastasiaforum.org/2024/09/21/displaced-indigenous-women-bear-the-brunt-of-indonesias-capital-city-project/ aufgerufen am 25.04.2025 
(9) https://aman.or.id/regional-news/letter-of-statement-indigenous-peoples-suku-balik-regarding-the-development-of-indonesias-new-capital-city-and-rejecting-the-destructive-development-of-indonesias-new-capital-city aufgerufen am 25.04.2025 
(10) https://moderndiplomacy.eu/2024/04/14/being-homeless-in-their-homeland-the-locals-versus-development-of-indonesias-new-capital/ aufgerufen am 25.04.2025 
(11) Bahzar, Mohammad. 2024. «Impacts of the Development of a New City on the Life of Indigenous Communities: A Case From Nusantara Capital City (IKN), Indonesia». Asian Journal of Education and Social Studies 50 (8):166-71.