Mausmaki

Mausmakis leben nur auf der Insel Madagaskar und gehören zu den kleinsten Primaten der Welt. Aufgrund ihrer geringen Grösse haben die niedlichen Tierchen eine aussergewöhlniche Überlegensstrategie für den Winter entwickelt.

Lemuren

Mausmakis (Microcebus spp.) zählen zur Ordnung der Primaten und gehören zu der sehr artenreichen Unterordnung der Lemuren, welche nur auf Madagaskar zu finden sind (1, 4). Unter den Lemuren gibt es grosse Unterschiede in Verhalten, Vorkommen und vor allem in der Körpergrösse - von den 70 cm grossen Indris (5) bis zu den kleinsten Primaten der Welt, den Berthe-Mausmakis (Microcebus berthae, 1, 6). 

Microcebus sind eine der beststudierten Gattungen auf Madagaskar (5). 1993 wurden gerade einmal zwei verschiedene Arten beschrieben, M. murinus im Osten und M.rufus im Westen. Dank neuen technologischen Fortschritten in der Forschung (z.B. DNA-Analysen) können heute 24 Arten unterschieden werden (1, 7). So wurde zum Beispiel der Berthe-Mausmaki erst im Jahr 2000 als eigene Spezies anerkannt. Davor wurde sie fälschlicherweise einer anderen, sehr ähnlichen Art zugeschrieben (6).

Vorkommen

Mausmakis sind endemisch auf Madagaskar, sie kommen also nur auf der Insel Madagaskar vor. Jede Art bewohnt ihre eigene ökologische Nische (5, 8). So bevorzugen einige Arten die Tieflandregenwälder, während andere die tropischen Wälder auf montaner Stufe oder trockene Dornenwälder bewohnen (8).

Den Berthe-Mausmaki findet man im westlichen Teil Madagaskars. Ihr Lebensraum ist von zwei Flüssen begrenzt, dem Tsiribihnia im Norden und dem Morondava im Süden (6, 8). In dieser Region befinden sich vor allem trockene Laubwälder (5, 6). Ihr Verbreitungsgebiet wird auf 800 Quadratkilometer geschätzt (6). 

Links: Madagaskar vor der Ostküste Afrikas. Eingekreist und rechs in gross: Habitat von Microcebus berthae (Quelle: IUCN Red List of Threathened Species)

Klimatische Bedingungen auf Madagaskar

In Madagaskar herrscht vorwiegend tropisches Klima. Das Land hat zwei Jahreszeiten: heiss und regenreich von November bis April (Südsommer), warm und trocken von Mai bis Oktober (Südwinter). Ein Hochplateau teilt Madagaskar längs und dient so als „Blockade“ für die feuchte Luft: Auf der Westseite ist die Landschaft viel trockener, zum Teil fast wüstenartig, auf der Ostseite dafür viel feuchter (9). 

Die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen auf Madagaskar. Rechts: Westlicher, trockener Laubwald (© Alex Hyde), links: Östlicher Regenwaldgürtel (© Ken Behrens)

Madagaskars Geschichte und die Evolution der Lemuren

Die Insel Madagaskar befindet sich seit 125 Millionen Jahren an ihrem jetzigen Standort im indischen Ozean vor der Ostküste Afrikas. Seit 88 Millionen Jahren ist Madagaskar abgetrennt von anderen Landmassen (10). Lemuren und auch die meisten anderen Tiere und Pflanzen gab es zu diesem Zeitpunkt auf Madagaskar noch nicht (5).

Bis heute ist es ein grosses Rätsel, wie die verschiedenen Tiere nach Madagaskar gelangen konnten. Man nimmt an, dass kleinere Tiere auf schwimmenden Objekten, wie zum Beispiel Holzstücken und verworrenen Matten bestehend aus Vegetation, aus den Flüssen Afrikas in das offene Meer gespült wurden. Durch die Meeresströmung gelangten sie dann nach Madagaskar. Diese Theorie nennt sich “Floating” (10, 11). Höchstwahrscheinlich überlebten nur kleine Tiere die Überquerung der Mosambique-Strasse (420 bis 1000 km breit). Diejenigen Arten, die zusätzlich ihren Metabolismus stark herunterfahren konnten, hatten zudem grössere Chancen, die Insel zu erreichen ohne zu verhungern (12). Die grösseren Tiere Madagaskars haben sich erst nach und nach im Laufe der Evolution aus den kleineren Arten entwickelt. 

Die Wissenschaft geht davon aus, dass eine Urform, die den heutigen Microcebus ähnlich ist, Madagaskar vor ca. 20 Millioinen Jahren erreicht und besiedelt hat (13). In Abwesenheit von Tieren mit ähnlicher Morphologie und ähnlichen Lebensraumansprüchen konnte sich auf der Insel eine vielfältige, sehr diverse Lemurenpopulation entwickeln. Eine dieser Lemurenarten ist der Mausmaki, aus dem sich wiederum unterschiedliche Arten entwickelt haben (1). Jede dieser Arten besetzt eine ökologische Nische, an die sie sich perfekt angepasst haben.  

Aussehen

Der Berthe-Mausmaki (Microcebus berthae) ist ein rötlich-brauner bis zimtfarbener Mausmaki. Die Körperunterseite ist weiss bis cremeweiss. Er gilt als kleinster Primat der Welt: von Kopf bis Schwanz misst er nur 22.3 bis 23.0 cm. Der Körper dieses Mausmakis ist gerade einmal neun Zentimeter lang (5, 14).

Microcebus berthae links im Grössenvergleich mit einer menschlichen Hand und Microcebus murinus rechts (© Nick Garbutt)

Lebensweise

Microcebus berthae ist wie viele andere Microcebus-Arten nachtaktiv, was zu grossen Teilen an der geringen Körpergrösse liegt (5, 15). In der Nacht können sich die Tiere zudem besser vor Feinden, wie Eulen, Schlangen oder Schleichkatzen verstecken (15).

Tagsüber schlafen Mausmakis meistens in Gruppen in Baumhöhlen (8). M.berthae ist hier eine Ausnahme: Sie leben eher solitär und schlafen in Nestern aus dichtem Lianengewirr (5, 20). Sie sind nämlich zu klein, um sich gegen grössere nachtaktive Lemuren im Kampf um einen geschützten Schlafplatz durchsetzen (5, 16). 

Mausmakis haben einen sehr ausgeprägten Gehör- und Geruchssinn. Dieser hilft ihnen sich nachts zu orientieren und Feinde frühzeitig zu erkennen. So wurde beobachtet, dass Mausmakis stark auf Gerüche von Schleichkatzen reagieren. Zudem haben sie ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem entwickelt (15, 17). Mittels akustischer Signale können sich die Individuen untereinander vor Feinden warnen. Daneben spielt auch die Kommunikation mittels Gerüchen bei den meisten Mausmakiarten eine wichtige Rolle, v.a. beim Interagieren in der sozialen Gruppe (15). 

Microcebus berthae ernährt sich hauptsächlich von Früchten und Harzen. Die Ernährung der Mausmakis hängt stark von saisonalen Schwankungen ab (15). In der Trockenzeit, wenn die Nahrungsressourcen knapp sind, müssen sie zusätzlich auf zuckerhaltige Insektenexkremente und andere tierische Stoffe zurückgreifen (5, 15).

Der kleinste Primat der Welt: Der Berthe-Mausmaki (© Manfred Eberle)

Torpor

Sehr kleine Tiere, wie der Berthe-Mausmaki, sind auf eine regelmässige Nahrungsaufnahme zur Energiegewinnung angewiesen. Denn ihr Verhältnis von Körperoberfläche und -volumen in Bezug auf die Temperaturspeicherung ist unvorteilhaft. Ist zu wenig Nahrung verfügbar und/oder die Umgebungstemperatur zu tief, können die Tiere in einen sogenannten torporiden Zustand verfallen (12, 19). Das bedeuetet, dass die Mausmakis ihre Stoffwechselaktivität und damit auch ihre Temperatur so verringern, dass sie damit bis zu 85% Energie sparen können (19). Damit sind sie in der Lage auch bei kälteren Temperaturen oder ungenügender Nahrungsverfügbarkeit lebensfähig zu bleiben.

Unser kleine Berthe-Mausmaki verfällt also während des Tages in einen Torpor, da seine Futterquellen gerade im Winter höchst unvorhersehbar sind (15, 19). Man nennt dies auch Tages-Heterothermie. Beim etwas grösseren Verwandten M. murinus kann man auch längere Tage andauernde heterotherme Phasen beobachten, die in Richtung Winterschlaf gehen (1, 16, 19). Bei dieser Spezies konnte zusätzlich beobachtet werden, dass Fett im Schwanz als Reserve eingelagert wurde (5). Bei allen studierten Mausmaki-Arten konnte ein saisonaler Gewichtsunterschied festgestellt werden (8).

Gefährdung

Schwarz umrandet: Habitat von M. berthae, grün: Wald, pink: verschwundener Wald in der Zeitspanne 2001-2018, aus Markolf et al. 2020

Von den 24 verschiedenen Arten aus der Gattung der Mausmakis ist keine einzige in ihrer Population stabil, die Anzahl der Individuen nimmt stetig ab. 87% aller Mausmakiarten sind vom Aussterben bedroht, 17% stehen unmittelbar davor, auszusterben (7). Dazu gehört auch der kleine Berthe-Mausmaki (6). 

Die grösste Bedrohung für den Berthe-Mausmaki und seine Verwandten besteht im Verlust und in der Zerstückelung ihres Lebensraumes durch Brandrodung für Plantagen (6). Diese werden oft illegal angelegt. Im Habitat des Berthe-Maumaki werden vor allem Mais und Erdnüsse angebaut. 

Studien zeigen, dass eine gewisse Habitatsgrösse für das Weiterbestehen einer Art notwendig ist. Zu kleine Fragmente sind also eine weitere Bedrohung für die Lemuren und alle anderen Arten auf ganz Madagaskar (20). Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) geht davon aus, dass sich die Population von M. berthae in den nächsten zehn Jahren um mindestens 80% verkleinern wird (6).

 

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Autorin: Jana Frei

Literaturverzeichnis

(1) Yoder, A. D., Weisrock, D. W., Rasoloarison, R. M., & Kappeler, P. M. (2016). Cheirogaleid diversity and evolution: big questions about small primates. In The Dwarf and Mouse Lemurs of Madagascar (pp. 1-20). Cambridge University Press.

(2) IUCN Red List of Threatened Species. 2020, Mammalia - class https://www.iucnredlist.org/search?taxonomies=100091&searchType=species (28.2.21)

(3) Britannica, Primates https://www.britannica.com/animal/primate-mammal (28.2.21)

(4) Klein, A. (2019). Parasitengemeinschaften kleiner madagassischer Lemuren (Microcebus murinus und Microcebus ravelobensis) unter Berücksichtigung des Einflusses von Schlafplatz, Geschlecht und Jahreszeit (Doctoral dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover).

(5) Garbutt, N. (2007). Mammals of Madagascar

(6) Markolf, M., Schäffler, L. & Kappeler, P.M. 2020. Supporting Material Microcebus berthae. The IUCN Red List of Threatened Species 2020. https://www.researchgate.net/profile/Matthias_Markolf/publication/342877686_Microcebus_berthae_Madame_Berthe's_Mouse_Lemur/links/5f0ae3bf299bf1881616c3a5/Microcebus-berthae-Madame-Berthes-Mouse-Lemur.pdf (15.12.2020)

(7) IUCN Red List of Threatened Species. 2021, Microcebus - Genus, Stats. https://www.iucnredlist.org/search/stats?query=microcebus&searchType=species. (30.1.2021)

(8) Radespiel, U. (2006). Ecological diversity and seasonal adaptations of mouse lemurs (Microcebus spp.). In Lemurs (pp. 211-234). Springer, Boston, MA.

(9) Britannica, Climate in Madagascar https://www.britannica.com/place/Madagascar/Climate (28.12.20) 

(10) Tattersall, I. (2006). Origin of the Malagasy strepsirhine primates. In Lemurs (pp. 3-17). Springer, Boston, MA.

(11) Masters, J. C., Génin, F., Zhang, Y., Pellen, R., Huck, T., Mazza, P. P., & Aslanian, D. (2020). Biogeographic mechanisms involved in the colonization of Madagascar by African vertebrates: Rifting, rafting and runways. Journal of Biogeography.

(12) Génin, F., & Masters, J. C. (2016). 16 The physiology of phyletic dwarfism in Cheirogaleidae. The dwarf and mouse lemurs of Madagascar: biology, behavior and conservation biogeography of the Cheirogaleidae, 73, 317.

(13) Hokan, M. (2018). Parasitengemeinschaften von zwei auf Madagaskar endemischen, gefährdeten Lemuren (Avahi occidentalis und Lepilemur edwardsi): der Einfluss von Schlafplatz Geschlecht und Jahreszeit (Doktorarbei, Tierärztliche Hochschule Hannover).

(14) Rasolooarison, R. M., Goodman, S. M., & Ganzhorn, J. U. (2000). Taxonomic revision of mouse lemurs (Microcebus) in the western portions of Madagascar. International Journal of Primatology, 21(6), 963-1019.

(15) Zimmermann, E., Radespiel, U., Mestre-Francés, N., Verdier, J. M., Lehman, S. M., Radespiel, U., & Zimmermann, E. (2016). Life history variation in mouse lemurs: the effect of environmental and phylogenetic determinants. In The dwarf and mouse lemurs of Madagascar (pp. 174-194). Cambridge: Cambridge University Press.

(16) Radespiel, U. (2016) Can behavioral exology help to understand the divergent geographic range sizes of mouse lemurs? In The dwarf and mouse lemurs of Madagascar (pp. 498-519). Cambridge: Cambridge University Press.

(17) Zimmermann, E. (2016) Acoustic divergence in communication of cheirogaleids with special emphasis to mouse lemurs. In The dwarf and mouse lemurs of Madagascar (pp. 405-421). Cambridge: Cambridge University Press.

(18) Nowack, J., Mzilikazi, N., & Dausmann, K. H. (2010). Torpor on demand: heterothermy in the non-lemur primate Galago moholi. PLoS One, 5(5), e10797.

(19) Blanco, M. B., Dausmann, K. H., Faherty, S. L., & Yoder, A. D. (2018). Tropical heterothermy is “cool”: the expression of daily torpor and hibernation in primates. Evolutionary Anthropology: Issues, News, and Reviews, 27(4), 147-161.

(20) Ganzhorn, J. U., Goodman, S. M., Ramanamanjato, J. B., Ralison, J., Rakotondravony, D., & Rakotosamimanana, B. (2000). Effects of fragmentation and assessing minimum viable populations of lemurs in Madagascar. Isolated vertebrate communities in the tropics, 46, 265-272.